Wenn der „Sommer im Neubaugebiet“ kommt

Wo andere an graue Blöcke denken, ist die Welt für Michelle Schmidt bunt – auch in ihrer Erinnerung. Zwar ist die freischaffende Künstlerin im Stadtteil Nord groß geworden, war aber oft in Hohenstücken, um ihre Cousine und Tante dort zu besuchen. „Alle waren draußen, so viele Kinder“, erzählt sie von diesen fröhlichen Tagen. Sie erinnert sich dabei auch positiv an die „Platte“: „Ich liebte den Betongeruch und diese hohen Treppen“. Und, so fügt die Brandenburgerin schmunzelnd hinzu: „Da war es immer warm. In Nord hatten wir Ofenheizung, meine Tante musste nur die Heizung aufdrehen“.

 

Die Blöcke am Carolinenring stehen nicht mehr, Michelle Schmidt ist aber immer noch oft im Stadtteil unterwegs. Unter anderem, weil sie als Kursleiterin der Galerie Sonnensegel auch eine Theatergruppe in der Otto-Tschirch-Oberschule begleitet. Oder, weil sie für den „Tag der Kulturen“ am 10. Juni ein Tanz-Performance-Projekt mit Tanztherapeutin Maren Werner plant. Oder, weil sie die „Platte“ auf ganz besondere Art kulturell beleben möchte. Denn im Rahmen des Stadtteilfestes im 50. Jubeljahr wird es ein Theaterstück geben, das den DDR-Bau zur Bühne werden lässt.

 

Unter dem Arbeitstitel „Sommer im Neubaugebiet“ wollen Michelle Schmidt und die Theaterregisseurin Alexandra Wilke in die Vergangenheit eintauchen. Die beiden werden zu Bewohnerinnen eines Hauses in der Friedrich-Grasow-Straße und kommen über ihre Balkonbrüstungen hinweg ins Gespräch. „Die eine möchte ausziehen, die andere bleiben“, schildert Michelle Schmidt die Basis für die Unterhaltung, aus der dann Erinnerungen an die vergangenen Jahrzehnte entspringen. Erinnerungen, „wie viele sie kennen und worin sich viele wiederfinden“, ist die Künstlerin überzeugt.

 

Diese Geschichten nehmen nun in den Köpfen der Frauen Form an. Sie sammeln derzeit Eindrücke und Erinnerungen aus jener Zeit, als die Platte noch der „Place to be“ war.

 

Michelle Schmidt ist begeistert davon, Theater dort zu machen, wo die Geschichte auch wirklich passiert ist. Dort, wo Menschen lebten, lachten, liebten. Ausprobiert hat sie das schon beim Höfefest in der Altstadt. Dort hat sie gemeinsam mit dem Kollegen Steffan Drotleff Fenstertheater gemacht. „Die Nähe zu den Menschen, zur Geschichte ist auf diese Art besonders“, weiß die Künstlerin. Und für Theater in Hohenstücken muss die „Kulisse Platte“ unbedingt mitgenutzt werden, findet sie.

 

Michelle Schmidt schnupperte erst jüngst die „Plattenluft“ in der Friedrich-Grasow-Straße, sieht das Grau von heute, spürt aber das Bunte von gestern. „Früher war das der Hammer. Da wollten alle hin. Da wurde mir klar, wie vergänglich alles ist.“

 

Aber, so ist sie überzeugt, die Farbe kehrt immer mehr in den Stadtteil zurück.  „Man sieht, das eine ganze Menge da passiert, kann sich wunderbar vorstellen, wie sich das entwickelt. Es besteht die Möglichkeit zur Erneuerung“, freut sie sich. „Das könnte der neue Hipster-Ort werden“, kann sich die Brandenburgerin sogar vorstellen.

 

Während Michelle Schmidt und Alexandra Wilke aktuell in Erinnerungen schwelgen, um Geschichten zu sammeln, Texte zu entwickeln und die Musik dazu zum Klingen bringen, gehen die Proben für „Sommer im Neubaugebiet“ im August los. Das Stück wird dann voraussichtlich zwei Mal im September aufgeführt, mit der Premiere am Freitag und der Dernière am Samstag, sagt Michelle Schmidt.